Die (Bedenk-)Zeiten
ändern sich in Bad Zwischzenahn
Ende Januar fand der
traditionelle NordWest-Cup in Bad Zwischenahn statt. Für mich galt
es wieder einmal, mit dem ebenso traditionellen einstampfen von Wertungspunkten
zu brechen. Mein Verein, Co-Ausrichter des Turniers, der SK Union Oldenburg,
stellte eine Menge Teilnehmer aus seinen beiden ersten Mannschaften. Neben
Sebastians Partien war ich an denen von Maik Schäfer noch am nächsten
dran. Auch Keno Lübsen vom Turm Holthusen versuchte sich in dem Open.
Es gab ein paar Neuerungen:
Die in der Ausschreibung für das A-Open genannte Mindestgrenze von
1850 Ratingpunkten wurde nicht umgesetzt. Nebenbei diskutierten wir noch
die drängende Frage, ob ein Turnier mit einer Beschränkung überhaupt
noch ein „Open“ ist. Eingehalten wurde aber die andere Neuerung: Nach 40
Zügen gab es nur noch 15 Minuten Aufschlag. Nach der Einführung
eines Inkrements im Vorjahr dauerten dem Veranstalter manche Sitzungen
wohl zu lange.
Aber wir schaffen es
noch, dahin zu kommen, die Zeit soweit zu verkürzen, dass wir drei
Runden pro Tag spielen können. Solche Turniere gibt es auch bereits…
Jedenfalls kann man es vergessen, mit einem Aufschlag von 15 Minuten klassische
Endspiele spielen zu wollen, wo man sich mal ein paar Minuten für
die Ausarbeitung eines Planes nehmen kann. Nach der Zeitnot folgt direkt
eine Schnellschachphase, die gleich wieder durch Blitz abgelöst wird.
Die Partien
Diesmal kein Turniertagebuch.
Ich fand es konsistenter, auf die Partien unterteilt nach Spielern zu gucken.
So werfen wir zunächst einen Blick auf Sebastians Schaffen, dann auf
mein Gepatze. Dann gibt es noch ein paar Eindrücke von Maik. Ich habe
in den Diagrammen und Fragmenten dramatische Taktiken, interessante Endspiele
und nette Motive ausgewählt. Auch für Nicht-Unionisten ist vielleicht
das ein oder andere von Interesse dabei.
Die Kommentarzeichen
setze ich heuer mal versuchsweise wie Hübner: „?“ für einen Zug,
der die Bewertung der Partie von Gewinn auf Remis oder von Remis auf Verlust
ändert sowie „??“ für einen Zug, der aus einer Gewinn- eine Verluststellung
macht. Ein „(?)“ letztlich erschwert lediglich die Aufgabe des am Zug befindlichen
Spielers. Im Gegensatz zum Doc werden hier aber auch Ausrufungszeichen
gesetzt.
Sebastian
Zum Auftakt gab es
Weiß gegen untere Hälfte. Eine gute Auftaktkonstellation. Es
gab aber eine Ernüchterung: Eine Pleite gegen 1900. Sebastian hatte
mühsam einen Gewinn herausgeknetet, in dem Leichtfigurenendspiel griff
er aber zu einem fatalen Bauernzug. Hier das Fragment dieses interessanten
Endspiels.
Müer
- Meyer
Zum Thema unter Hälfte:
Schwarz hat im weiteren Verlauf dieses Turniers mit mehreren Leuten gehobener
Güte aufgeräumt und dürfte ca. 2300 geleistet haben. Insofern
hatte Bast da wohl einen undankbaren Auftaktgegner erwischt, aber es war
wie gesagt auch im Endspiel an einer Stelle gewonnen.
Aus dieser unangenehmen
Situation heraus kämpfte sich der Oldenburger aber ins Turnier und
ließ drei Einsen in Serie folgen, wobei sein Spiel nach und nach
an Sicherheit gewann. Gegen 1700 hatte er mit Schwarz die Eröffnung
etwas verhalten gespielt, bekam dann aber klaren Vorteil und ließ
auch nichts mehr anbrennen. Auf die beiden anderen Gewinnpartien werfen
wir einen Blick.Zunächst gab es eine echte Perle gegen Delmenhorsts
Talent Theis Pahl (2050):
Müer
- Pahl
Ein Highlight! Der
Freitag brachte Sebastian also zwei Punkte.
Es folgt der Ausschnitt
aus der Viertrundenpartie, wo es gegen 2100 die dritte Eins gab.
Steinle
- Müer
So! Nun hatte der Oldenburger
sich nach vorne gespielt und traf auf GM Dgebuadze. Gegen diesen Gegner
hatte er bereits vor
ein paar Jahren knapp verloren. Sebastian erreichte diesmal
mit Weiß eine angenehme Stellung, als sein Gegner ein Remis offerierte.
Dies lehnte Sebastian ab und opferte in der Folge die falsche Figur. Hier
die heiße Phase:
Müer
- Dgebuadze
Ich fand es richtig,
das Remis abzulehnen in einer solchen Stellung, es erforderte aber auch
Courage. Die Null fand Sebastian auch wesentlich weniger ernüchternd
als die zu Beginn des Turniers.
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Der Mann am Fenster:
Bast vs Dgebuadze
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In den beiden letzten
Runden am Sonntag spielte er dann jeweils gegen 2100 nur Remis. Mit Schwarz
in der vorletzten Runde konnte er das weiße Geklammere nicht durchbrechen,
während er seine Chancen in der letzten Runde mit Weiß nicht
konsequent nutzte. Unter dem Strich hatte Sebastian eine Performance, die
in etwa seiner eigenen Zahl entsprach. Das war natürlich nicht das
Ziel in diesem Turnier. Immerhin: Nach dem Desaster am Anfang hat er engagiert
gekämpft.
Frank
In der ersten Runde
gab es eine Schwarzniederlage gegen 2150. Hier musste ich feststellen,
dass mein Wissen über die von mir gewählte Eröffnung für
die Schärfe dieser Spielweise nicht ausreichte. Auch ein Geburtstagsgeschenk
wurde an meinem Ehrentag nicht verteilt.
Der Freitag begann
mit einem Tiefschlag: Ich stand gegen 2000 auf Gewinn - und vermasselte
es:
Modder
- Doell
0 aus 2, und das auf
eine völlig unnötige Art. Sehr bitter, ich hatte mir einiges
vorgenommen für das Turnier. Aber ich fühlte mich prinzipiell
gut am Brett und es lief nun auch besser. Von den nächsten vier Partien
gewann ich drei, wobei aber auch die einzige Niederlage in dieser Phase
in einer Partie geschah, die ich hätte gewinnen können.
Werfen wir einen kurzen
Blick auf die beiden folgenden Siege. Zunächst ein kleines Schmankerl
gegen 1700:
Renk
- Modder
Da5 - so ein schönes
Motiv darf man auch nicht jeden Tag spielen!
Es folgte eine Partie
gegen 2000, in der ich meine Vorbereitung auf das Brett bekam - aber trotzdem
überspielt wurde. Im Endspiel geschah allerdings noch ein Wunder:
Modder
- Kroencke (erweiterte Version v.
02.02.)
Lustig war, als ich
nach der Partie aus dem Saal kam. Meine Mannschaftskollegen hatten nicht
mehr viel auf meine Stellung gegeben, nur Sebastian hatte noch einen späten
Blick erhascht und gesehen, was los war. Er gratulierte auf Verdacht, woraufhin
die Anderen mit großen Augen fragten, ob ich Remis gehalten hätte!
Zum Glück nicht. Damit war ich auf 50%. Dass das binäre Zahlensystem
aber auch in umgekehrter Folge auftauchen kann, sprich: es auch von 1 auf
0 gehen kann, zeigte dann die nächste Runde gegen einen Gegner mit
knapp 2100 Wertungspunkten, dies ist das letzte meiner Partiefragmente
aus Bad Zwischenahn.
Koellner
- Modder
Ein ziemliches Drama.
Und ein erneuter Rückschlag auf dem Weg zu einer signifikanten Verbesserung
der Wertungszahl. Die Schuld lag aber bei mir selbst, ich war zu verschwenderisch
mit meiner Bedenkzeit umgegangen.
Am Sonntag gab es dann
die letzten beiden Runden. Mein Spielpartner am Morgen mit knapp 2000 Punkten
machte es mir leicht, da er früh eine Figur einstellte. Drei Siege
beim NordWest-Cup waren für mich ein Novum! Die lange Pause bis zur
Nachmittagsrunde wirkte sich aber nicht sehr positiv aus. Gedanklich unflexibel
spielte ich gegen 2100 wie schon in der Auftaktrunde eine Eröffnung,
von der ich im Verhältnis zu ihrer Komplexität zu wenig Ahnung
hatte. Am Ende des Turniers blieb mir nur ein sehr moderater Zuwachs bei
DWZ und ELO.
Keno und Maik
Keno begann mit einem
Sieg gegen 1800. Und es sollte seine einzige Gewinnpartie bleiben. Fünfmal
trennte er sich Remis von seinen Gegnern. Der Anfang des Turnieres war
aber sehr positiv: Nach dem Auftaktsieg folgte ein starkes Schwarzremis
gegen Jari Reuker (2380), auch das nächste Unentschieden gegen 2250
ließ aufhorchen. Etwas unnötig war wohl die Niederlage gegen
Lara Schulze (2270) zur Mitte des Turniers. Am Ende spielte Keno dreimal
gegen 1900, kam aber jeweils über Remis nicht hinaus. Ein paar leichte
Ratingverluste unter dem Strich sind aber zu verkraften.
Maiks Gegner waren
alle im Bereich 1930-2030 ELO,was noch um einiges über seiner eigenen
Zahl lag. In sechs Fällen stand der Unionist aussichtsreich bis auf
Gewinn. Aber es war nicht immer einfach, auch die Zeitnot forderte manchmal
ihren Tribut, und natürlich: Die Gegner stellen auch Probleme.
Als Material habe ich
mal zwei Diagramme und ein Fragment anzubieten:
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E. Pahl (2030)
- Schäfer
Weiß am Zug
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Weiß steht hier
besser. Erzwungen ist wohl 24. Dxe6+ Kh8 25. Dg6, wonach Schwarz auf e4
eine Figur zurückgeben muss. Danach hat Weiß ein Schwerfigurenendspiel
mit einem Mehrbauern. Stattdessen eröffnete sich für Schwarz
unverhofft eine Gewinnchance: 25. Dg6? Nun hätte Maik gewinnen können
mit 25. … Sf5, denn nach 26. Dxe6+ Kh8 27. Lxf5 hat Schwarz die Ressource
Lc8! mit Figurengewinn. Leider fand Maik dies nicht.
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Schäfer -
Arndt (1934)
Schwarz am Zug
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Hier steht Schwarz
unter Druck, nach 30. … c4 kann er sich aber wohl halten. Nach dem fehlerhaften
30. … f6 konnte Weiß auf verschiedene Weise gewinnen und tat es mit
dem ästhetischen 31. Lb3.
Ein echtes Drama spielte
sich am Freitag Abend in Maiks Partie gegen den Ex-Wildeshauser Riedel
ab. Die Begegnung enthielt mehr „Plot Twists“ als in diesem Mexican
Standoff!
Riedel
- Schäfer
Ich habe ja nun auch
schon viel gesehen, aber… Schade, schade. So viele Chancen, und dann nicht
mal Remis. Maik hat aber gezeigt, dass er sich durch sowas nicht aus der
Ruhe bringen lässt, und danach noch zwei 1900er umgehauen. Dadurch
gab es ordenliche Zuwächse an Ratingpunkten.
Fazit
Eine Menge Drama auf
den Brettern. Wenn man nur die Chancen konsequent nutzen würde. Aber
es soll ja schwierig sein, gewonnene Stellungen nach Hause zu bringen -
und das war eine Tradition, die hier mal wieder gepflegt wurde. Nach oben
ist noch Luft! Wir haben aber auch festgestellt, dass man an die Partien
anders herangehen muss, wenn die zweite Zeitphase so kurz ist. Positiv
war: wir hatten die nötige Wettkampfhärte. Rückschläge
wurden gut verarbeitet. Und darauf kann man aufbauen!
Hier noch wie immer
der Link zur offiziellen Seite: Link
frank modder, 01.02.2020
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Noch eine Zeitenwende?
Bast vs Dgebuadze
2012
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